Essen, weil die Seele Hunger hat
Der Einstieg: Ein Moment der Erkenntnis
Ich tauche auf wie aus einem Film. Mein Blick fällt auf die leere Schokoladenpackung. Wer hat denn das jetzt alles gegessen? Mein Verstand lacht mich aus und sagt: Na, Du selbst! Sofort meldet sich in mir ein sehr lautes, schlechtes Gewissen. Und die Frage taucht auf, wie das denn nun wieder passieren konnte.
Die Geschichte des Emotionalen Essens
So ging es mir viele Jahre. Emotionales Essen hat mich seit meiner Kindheit begleitet. Immer wieder habe ich wie ferngesteuert zu Keksen, Schokolade und Co. gegriffen, und kein guter Vorsatz der Welt konnte mich davon abhalten.
Hilfe zur Selbsthilfe: Muster verstehen und transformieren
Heute helfe ich Menschen dabei, dieses Muster zu verstehen und zu transformieren. Denn emotionales Essen hat nichts mit mangelnder Disziplin oder schwachem Willen zu tun.
Emotionales Essen ist eine erlernte Schutzreaktion unseres Systems.
Neurowissenschaftliche Perspektive auf Emotionales Essen
Neurowissenschaftlich ist es die Reaktion auf ein traumatisches Erlebnis, das uns überfordert hat, und mit der wir buchstäblich unser Überleben gesichert haben. Denn Essen reguliert unser System und wird von unserem Gehirn mit Glückshormonen belohnt. Schon als Säugling beruhigen wir uns, sobald wir gestillt werden. Der Zucker in der Nahrung sorgt für die Ausschüttung von Dopamin. Als Erwachsene hilft die Kaubewegung unserem Nervensystem, herunterzufahren. Essen wiegt uns in Sicherheit – wenn auch in eine scheinbare und sehr kurzweilige Sicherheit.
Die Nachteile von Emotionalem Essen im Erwachsenenalter
Dass diese Rechnung gerade im Erwachsenenalter nicht aufgeht und uns eher Nachteile bringt, liegt auf der Hand. Dennoch reicht diese Aussicht auf ein kurzes Gefühl von „alles ist gut“ dafür aus, dass ein emotionaler Esser ganz automatisch zum Kühlschrank geht, wenn sein System Gefahr wittert. Diese Gefahren können unterschiedlichster Natur sein: Sie reichen von Langeweile bis Überforderung, von innerer Leere bis Stress.
Das Unbewusste Muster und der Teufelskreis der Disziplin
Die meisten emotionalen Esser sind sich gar nicht bewusst, dass sie dieses Muster haben. Sie ärgern sich einfach über sich selbst, wenn sie mal „wieder schwach“ geworden sind und nehmen sich vor, ab jetzt wieder „disziplinierter zu essen“. Dabei sorgt genau dieser Vorsatz dafür, dass sich das Muster weiter festigt, denn es hält uns davon ab, auf die wahren Ursachen zu schauen.
Die Wurzel des Emotionalen Essens heilen
Wer emotionales Essen von der Wurzel her heilen will, darf verstehen, dass sein System gelernt hat, sich durch Essen zu beruhigen und eine vermeintliche Gefahr abzuwenden. Das ist aus der Sicht des Nervensystems erst einmal eine sehr schlaue Reaktion. Die Herausforderung besteht nun darin, die Ursache hinter dem Essen ans Licht zu holen und dann das Essen durch eine andere, förderlichere Handlung abzulösen, mit der wir uns wirklich effektiv beruhigen können, ohne uns selbst zu schaden.
Die Wichtigkeit eines guten Körpergefühls
Dafür braucht es zuallererst ein gutes Körpergefühl. Denn ein wichtiger Schritt zurück in ein gesundes Essverhalten, besteht darin, die Überforderung rechtzeitig wahrzunehmen – im Idealfall, bevor der Essimpuls so stark ist, dass wir gar nicht anders können als ihm nachzugehen. Unser Körper zeigt uns Überforderung an – zum Beispiel durch ein Druckgefühl in der Herzgegend, einen erhöhten Herzschlag oder ein Engegefühl im Hals. Wenn wir wieder lernen, diese Körperempfindungen wahrzunehmen, können wir rechtzeitig gegensteuern.
Der Weg zur eigentlichen Ursache
Unser Körper kann uns dann zur eigentlichen Ursache unseres Essens führen, nämlich zu dem unangenehmen Gefühl, das wir nicht spüren möchten. Dieser zweite Schritt ist für die meisten Menschen die größte Herausforderung, denn dieses unangenehme Gefühl – zum Beispiel Trauer, Ohnmacht oder Überforderung – zuzulassen, kann ohne eine erfahrene Begleitung eine Hürde sein.
Neue Handlungen einüben
Der dritte Schritt besteht darin, eine neue Handlung einzuüben, die uns genauso oder im Idealfall noch besser reguliert als das Essen. Hier gibt es kein Allheilmittel. Vielmehr darf jeder für sich selbst ausprobieren, was ihm hilft. Bewährt haben sich Gefühls- und Körperarbeit, Atemübungen, Achtsamkeitstraining, Yoga, Schreibmeditation oder Klopftechniken. Manchmal variiert das Mittel der Wahl auch je nach Situation – immerhin können wir im Büro schlecht die Yogamatte ausrollen – und deshalb sind diese Dinge auch Bestandteil in meinen Coachings.
Geduld und Nachsicht mit sich selbst
Und schließlich braucht es Geduld und Nachsicht mit sich selbst. Denn emotionales Essen haben wir häufig über viele Jahre gelernt. Es ist ein Automatismus geworden. Diese Muster im Gehirn zu verändern ist möglich – es braucht Zeit und dass wir dranbleiben.